Antwort des Verkehrsministers auf den Brief der GLB zum Thema Flachstartverfahren
Herrn Fraktionsvorsitzenden
Frieder Engel
Neustraße 64
64572 Worfelden
Datum: 20.7.2016
Verkehrsflughafen Frankfurt/Main - Fluglärm
Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender,
haben Sie vielen Dank für Ihre Schreiben hinsichtlich des sogenannten "Flachstartverfahrens". Herr Staatsminister AI-Wazir hat mich gebeten, Ihnen zu antworten. Für die lange Bearbeitungsdauer bitte ich sehr um Verständnis.
Nach der derzeitigen Rechtslage entscheidet - soweit es nicht spezifische Vorgaben für die Abflugstrecke gibt - allein die jeweilige Fluggesellschaft darüber, in welchen Abschnitten des Abflugs sie mehr oder weniger Schub verwendet und welches Geschwindigkeits- und Steig profil angestrebt wird. Das Verfahren, das die Lufthansa anwendet, ist unter Lärmgesichtspunkten je nach Siedlungsstruktur zu bewerten. Grundsätzlich gilt, dass es unterhalb der Abfluglinie leiser ist, je größer die Höhe des Flugzeugs ist. So erklären sich auch die deutlichen Vorteile des von Singapore Airlines verwendeten Verfahrens, die an der Messstation in Klein-Gerau (also direkt unterhalb der Abflugstrecke) ermittelt wurden. Deutlich seitlich der Abfluglinie ist es hingegen leiser, wenn das Flugzeug tiefer ist, da sich der abstrahlende Schall seitlich weniger weit ausbreiten kann. Geringerer Schub führt zu geringeren Triebwerksemissionen und ist gegenüber starken Schubsetzungen, um schnell an Höhe oder Geschwindigkeit zu gewinnen, lärmärmer. Nach all dem ist die Frage nicht pauschal zu beantworten, welches Abflugverfahren unter dem Strich am günstigsten ist. Es kann sich je nach Flugzeugtyp unterscheiden und hängt stark von der Siedlungsstruktur und dem spezifischen Ort ab, der betrachtet wird.
Die vom Umwelt- und Nachbarschaftshaus ermittelten unterschiedlichen Lärmwerte von Lufthansa und Singapore Airlines ergeben sich nach derzeitigem Erkenntnisstand vorrangig durch die unterschiedlichen Startverfahren und nicht durch die Frage, ob der Schub bei einer Flughöhe von 1.000 Fuß oder erst bei 1.500 Fuß zurückgenommen wird. Während die Lufthansa das Verfahren NADP2 (Noise Abatement Departure Procedure 2 gem. ICAO; Cutback bei 1.000 Fuß) praktiziert, wird bei Singapore Airlines ein Steilstartverfahren angewandt. Dies gilt zumindest für die A380-Flotte.
Die Frage, welche vertikalen Profile, Geschwindigkeiten und Schubsetzungen bei den Abflügen vom Frankfurter Flughafen insgesamt am lärmgünstigsten sind, kann nicht anhand der Betroffenheit einer einzelnen Kommune oder anhand eines Flugzeugtyps erfolgen, da Vor- und Nachteile eben wie oben dargestellt von der konkreten Siedlungsstruktur im Bereich der Abflugstrecke abhängen. Flachere Profile können insgesamt vorteilhaft sein, wenn die Abflugstrecke so definiert wurde, dass sie so weit möglich den direkten Überflug von Siedlungsgebieten vermeidet. Dies trifft für viele Abflugstrecken in Frankfurt zu. Der zuständige Bund hat sich Mitte der 2000er Jahre gegen einen von der FLK erwünschten Probebetrieb einer allgemeinen Nutzung des Steilstartverfahrens in Frankfurt ausgesprochen. Gleichwohl geben unter Anderem die Messwerte in Klein-Gerau auch aus meiner Sicht Anlass, die Thematik erneut aufzugreifen. Eine erneute Befassung ist allerdin~ls nur erfolgversprechend, falls sich anhand objektiver Bewertungskriterien eindeutige Vorteile für die Gesamtregion ergeben. Die Berechnung ist komplex, weil tatsächliches Emissionsverhalten je nach von der Airline verwendetem Verfahren, Flugzeugtyp und konkrete Abflugstrecke zu berücksichtigen sind. Die erforderlichen Emissionsdaten sind nur teilweise verfügbar. Ein Vergleich der Vor- und Nachteile der Lärmauswirkungen ist daher ohne entsprechende wissenschaftliche Unterstützung und Ermittlung von Daten nicht möglich. Ich habe mich als Fluglärmschutzbeauftragte des HMWEVL daher aktiv dafür eingesetzt, dass diese Untersuchungen im Rahmen der Arbeiten des Forums Flughafen und Region (FFR) erfolgen und finanziert werden. Derzeit werden noch die genauen Untersuchungsziele erarbeitet. Falls nach Vorliegen der Ergebnisse eine Änderung der derzeitigen Rechtslage zu befürworten wäre, läge die Zuständigkeit beim Bund. Dies gälte sowohl für die Festschreibung eines Standard- Abflugverfahrens für Frankfurt als auch alternativ die Festlegung bestimmter Merkmale an einzelnen Abflugstrecken wie z. B. Geschwindigkeits- oder Höhenvorgaben.
Ich hoffe, dass meine Ausführungen für Sie hilfreich waren.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Regine Barth
Leiterin Stabsstelle Fluglärmschutz / Fluglärmschutzbeauftragte